Ein „Gewerkschaftsbund“ für Flüchtlingshelfer
Wie bitte? Sie haben richtig gelesen. Ich gebe zu, bei dem Wort „Gewerkschaftsbund“ habe ich auch meine Stirn gekräuselt. Dann bin ich der Sache nachgegangen. Schnell stößt man auf eine Menge Zeitungsberichte aus den verschiedensten bundesdeutschen Tages- und Wochenzeitungen. Ich darf mal aus dem Online-Artikel der Frankfurter Rundschau vom 17. März zitieren:
Formal gegründet hat sich Veto bereits im vergangenen Oktober, mit dem Ziel, die „Resignation und Frustration unter den Flüchtlingshelfern zu stoppen“
Vielleicht ist ja das Wort Gewerkschaftsbund ein wenig übertrieben, denn ein lockerer Zusammenschluss diverser Helferinitiativen macht ja noch keinen Gewerkschaftsbund. Wahrscheinlich ist es nur die Idee, die diesem Projekt die Definition gegeben hat. Aber egal wie, die Idee ist auf jeden Fall Gold wert. Wenn man bedenkt, was für eine enorme Kraft hinter all diesen Initiativen steckt, dann kann man durchaus von einer Bürgerbewegung sprechen. Und ist es nicht das, was viele Politiker immer wieder angemahnt haben? Mehr Engagement, mehr Ehrenamt? Unglücklicherweise arbeiten viele Initiativen oder Vereine vor sich hin, ohne von ihren Nachbarn zu wissen, ohne deren Kompetenzen zu nutzen oder eigene Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. So ein großer Plan, der fehlte bisher. Von der Politik kam er schon mal nicht. Im Gegenteil, inzwischen arbeiten viele Politiker (so kurz vor der Wahl) wenig bis viel GEGEN Flüchtlinge und gegen Helfer – und damit – welch ironischer Zirkelbezug – gegen den eigenen Staat. Das kommt, weil offenbar viele in Politik und Behörde täglich nur die eigene Untertasse sehen – oder im Sinne der vielen Wähler am rechten Rand – sehen wollen. Tja, Rückgrat ist leider wenig verbreitet.
VETO = Wählergruppe? Klar!
Umso mehr freuen wir uns, wenn die vielen, vielen Helferinnen und Helfer sich nun ein Rückgrat geben wollen. Genau das fehlt. Mit diesem Rückgrat kann man Berlin durchaus verdeutlichen, dass wir Viele AUCH Wähler sind. Oder einfacher gesagt: Ein Tritt vors Schienbein kann Wunder bewirken. Das gilt natürlich auch für uns Helfer. Es gibt doch schon einige, die sich frustriert zurückziehen. In vielen Behörden hat man durchaus mehr oder weniger offen mit kontraproduktiven Handlungen zu tun. Viele einfache Sachbearbeiter helfen gerne, wollen helfen, bekommen aber von den nächsthöheren Etagen wenig bis gar keine Unterstützung. Bisweilen hat man das Gefühl, lieber heute als morgen auf all die Flüchtlinge verzichten zu können. Sie sind aber nun mal hier. Fertig. Realitätssinn und Pragmatismus KÖNNTEN den ganzen Komplex in eine durchaus erfolgreiche Richtung bugsieren. Einfach mal Verantwortung übernehmen und entscheiden. Die Flüchtlingshelfer tun das. Aber ihr Stellenwert in der Gesellschaft sinkt leider, und die Politik lässt es nun mal geschehen. Den Kontext ihrer Handlungen in seiner Komplexität erfassen, ist vielleicht gar nicht gewollt, denn wer weiß, ob man in der nächsten Legislaturperiode noch Abgeordneter oder sonst was ist. Nach mir die Sintflut.
Natürlich …
… gibt es unter den vielen Geflüchteten Menschen charakterliche Ausfälle. Wie sollte es auch anders sein? Jetzt erzähl mir einer, die charakterlichen Ausfälle gibt es unter Deutschen oder Franzosen oder Engländern oder Tibetern nicht? Charakterliche Ausfälle sind Erscheinungen bei Menschen, nicht bei Nationalitäten oder Hautfarben oder Glaubensrichtungen. Flüchtlingshelfer werden durchaus indirekt für das Verhalten ihrer Schützlinge in Sippenhaft genommen. „Na, was haben deine Flüchtlinge schon wieder angestellt?“ – wer hat den Satz noch nicht gehört? Es würde das ganze Experiment wesentlich vereinfachen, gäbe es noch mehr Helfer, würden die Schreihälse von AFD oder Pegida mal den Finger aus dem … nehmen, die Menschen kennenlernen und ihnen helfen. Das Potential ist enorm. Mal abgesehen von den Kindern, die rasend schnell Deutsch lernen, hier Berufe ergreifen, Steuern zahlen, die Studenten, die schon in Damaskus, Aleppo, Homs studierten und hier weiter studieren. Aber natürlich auch die Menschen, die von Schulen genommen wurden nach der 6. Klasse und arbeiten mussten, um Geld zu verdienen. Auch die werden hier in Arbeit und Brot kommen. Und für die charakterlichen Ausfälle, die kriminell werden, für die haben wir die Gesetze, die wir bei allen anderen ebenso anwenden. Das Glas ist nicht halbleer, es ist halbvoll. Und wir können es füllen. Für alle, die hier leben.
Text: Heiko // FR vom 17.03.2017
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